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Dr. K. Jan Schiffer ist Wirtschaftsanwalt und berät seit 1987 vor allem Familienunternehmen, Stiftungen, Verbände, staatliche Stellen, …mehr

Arndt Funken zum Thema Stiftungswesen und auch zu kritischen Punkten

Interview von Dr. K. Jan Schiffer (07/2011)

Arndt Funken, 43, geboren in Bensberg bei Köln, leitet in der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main als Managing Director das institutionelle Geschäft im Bereich Private Wealth Management. Er ist nach Tätigkeiten für eine Stiftung und eine Schweizer Privatbank seit 1996 im Stiftungswesen von Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig. Funken ist u.a. Mitglied im Beirat des Institutes für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen an der Bucerius Law School, Hamburg, sowie Mitglied im Redaktionsbeirat des Fachmagazins Stiftung & Sponsoring. In seiner Freizeit widmet sich Arndt Funken neben seiner Familie dem Wassersport, seiner automobilen Leidenschaft und spielt Tennis.

Tel: 069 – 910 48983
E-Mail: arndt.funken(at)db.com
http://www.pwm.db.com/de

 

Lieber Herr Funken, wir kennen uns ja schon eine ganze Weile aus der Stiftungswelt. Wie sind Sie denn eigentlich in diese besondere „Welt“ hineingeraten? Und wie sind Sie dann nach Frankfurt in die ganz modernen Zwillingstürme gelangt?

Wenn Sie den lieben Gott zum Lachen bringen wollen, müssen Sie ihm bekanntlich Ihre Pläne erzählen. Nach dem Abitur hatte ich, nicht zuletzt auf Anraten meines Vaters, eine Karriere in der Öffentlichen Verwaltung vor Augen. Als Diplom-Verwaltungswirt habe ich dann tatsächlich einige Jahre im Finanzwesen einer Kommunalverwaltung verbracht, bevor ich mich aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit entlassen ließ, um mich bei einer Stiftung zu bewerben. Allerdings war damit mitnichten bereits das Interesse am Dritten Sektor gegeben; das kam sozusagen „on the job“. 2001 wurde dann eine Schweizer Privatbank auf mich aufmerksam und machte mir das berühmte Angebot, welches abzulehnen mir nicht möglich war. Nachdem ich dort die Stiftungsbetreuung aufbauen durfte, nahm ich 2009 die spannende Herausforderung an, erstmals in einem Großkonzern zu arbeiten. Das hat auch den Nebeneffekt, dass ich mir Frankfurt täglich aus der Vogelperspektive des 28. Stocks anschauen darf - natürlich ohne dabei abzuheben.

 

Als Leiter einer „Gemeindekasse“ in die Welt des „Private Wealth Management“ und damit auch zum „Geschäft“ mit Stiftungen: Umreißen Sie doch bitte einmal kurz, was Sie und Ihre Kollegen für Stiftungen tun? Und ab welcher Größenordnung starten Sie damit?

Im Private Wealth Management beraten wir in aller Regel Kunden ab einem Volumen von 2 Mio. Euro. Aber bekanntlich gibt es keine Regel ohne Ausnahme. Für Privatkunden in unserem Geschäftsbereich gründen wir Stiftungen auch mit einem Stiftungskapital unterhalb dieser Schwelle. Für unselbständige Stiftungen, die regelmäßg über ein eher überschaubares Stiftungskapital verfügen, haben wir eine eigene Trägerkörperschaft, die Deutsche StiftungsTrust GmbH. Auch mit unseren Kollegen aus dem Privatkundengeschäft arbeiten wir eng zusammen, so dass wir keinen Kunden ablehnen müssen. Das Dienstleistungsspektrum im Bereich „Philanthropical Wealth“ ist so breit, wie Sie es bei einem Marktführer erwarten können. Wir beginnen bei der ersten Idee eines Stifters zur Stiftungsgründung; vielfach bringen wir Stifter auch erst auf diese Idee. Wir unterstützen bei der Findung des Stiftungszwecks, vernetzen Stiftungen miteinander, übernehmen auf Wunsch die gesamte Administration der Stiftung, begleiten im Abstimmungsprocedere mit Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Stiftungsaufsicht und Finanzamt und übernehmen selbstverständlich auch die stiftungsgerechte Vermögensverwaltung – um aufgrund Ihrer Vorgabe „kurz“ nur einige Punkte zu nennen.

 

Nun, natürlich will ich Sie nicht „abwürgen“. Wollen Sie noch ergänzen?

... und ich will Sie nicht langweilen. Gehen Sie einfach davon aus, dass wir sozusagen die gesamte Wertschöpfungskette abdecken, angefangen von der ersten Idee eines Stifters zur Stiftungsgründung bis hin zur Strukturierung hochkomplexer Stiftungsvermögen. Es gibt kaum etwas, was wir nicht tun. Wobei ich im Gespräch mit einem Anwalt natürlich ergänzen möchte, dass uns das RDG berechtigterweise gewisse Grenzen in der Beratung setzt.

 

Ihr Lebenslauf und ihre Antworten zeigen, dass Sie eine Menge Erfahrungen sammeln konnten. Persönlich habe ich Sie zudem als einen unabhängigen Denker kennen gelernt, der über den berühmten Tellerrand hinausblickt. Versuchen wir doch einmal die Stiftungswelt ein wenig von außen zu betrachten. Sehen Sie auch kritische Punkte in dieser oft als so heil wahrgenommenen „Welt“?

Schon Goethe wusste, dass der Mensch irrt, solange er strebt. Und das nur allzu nachvollziehbare Streben nach Gewinn führt auch im Stiftungswesen zu mancherlei Auswüchsen. Wenn Sie einmal darüber nachdenken, dass sich einer Erhebung zufolge rund 80 Finanzdienstleister selbsternannt mit dem Prädikat „Stiftungskompetent“ schmücken, wissen Sie, worauf ich hinaus möchte. Und dergleichen macht selbstverständlich, lieber Herr Dr. Schiffer, auch vor Ihrer Zunft nicht halt. Ich habe Wirtschaftsprüfer erlebt, die sich sozusagen beim Kunden das notwendige Wissen in der Prüfung gemeinnütziger Organisationen aneignen wollten. Ich habe Stiftungsportfolios gesehen, mit denen man besser ins Spielcasino gegangen wäre. Ich habe Stiftungsverwaltungen kennen gelernt, die allzu offensichtlichen Interessenkonflikten nicht aus dem Wege gegangen sind. Und natürlich habe ich auch Stiftungsvorstände getroffen, die es mit dem Stifterwillen nicht ganz so genau genommen haben. Kurzum: Auch im Stiftungswesen sollte sich ganz genau prüfen, wer sich „ewig“ bindet.

 

Das ist wohl so in der gesamten Beraterzunft. Aber können wir etwas daraus lernen? Gibt es grundsätzliche Ratschläge für unsere Leser? Gibt es beispielsweise Indizien, die zu unbedingter Skepsis führen sollten?

Hier kann der Markt zunächst von John Ruskin lernen, der bereits im 19. Jahrhundert konstatierte, dass das Gesetz der Marktwirtschaft verbietet, für wenig Geld viel Leistung zu erhalten. Sofern einer Stiftung ein außergewöhnlich günstiges Angebot unterbreitet wird, liegt der Verdacht nahe, dass sich entweder Zusatzkosten verstecken oder die Beratung in der Qualität zu wünschen übrig lässt. Hier sollten die Entscheider absolute Transparenz verlangen, sonst wird am Ende draufgezahlt. Das gilt für Rechtsberatung und Steuerberatung ebenso wie für die Vermögensberatung und –verwaltung. Nervös werde ich immer auch dann, wenn ich höre, dass durch findige Berater Mechanismen installiert werden, um gleich ein Folgegeschäft anschließen zu können oder um die Geschäftsbeziehung langfristig „abzusichern“. Beispiele gefällig? Neulich wurden von einem Asset Consultant Anlagerichtlinien für eine Stiftung konzipiert, welche vorsahen, dass jeder Beauty Contest unter Banken von einem Asset Consultant zu begleiten ist. Honi soit qui mal y pense. Ich kenne Stiftungen, bei denen qua Satzung Bankmitarbeiter im Vorstand über die Vermögensanlage entscheiden. Raten Sie mal, wer die Satzung konzipiert hat. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, wenn ein Berater in den Vorstand berufen wird – auch meine Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich in Stiftungsvorständen. Hier sollte es sich aber einerseits um einen ausdrücklichen Stifterwunsch handeln und nicht um eine Mustersatzung, und anderseits sollten die dadurch ggf. entstehenden Interessenkonflikte ebenso angesprochen wie aufgelöst werden; im Zweifelsfalle durch Enthaltungen in Abstimmungen. Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass Adjektive wie „langjährig“ und „kompetent“ nicht geschützt sind. Mir sind Finanzdienstleister bekannt, die offensiv mit Beratungskompetenz und Erfahrung in der Betreuung von Stiftungen werben und in ihrer Kundschaft eine Anzahl von Stiftungen haben, die Sie mit den Fingern einer Hand mühelos abzählen können. Gehen Sie zu einem Chirurgen, der Ihre Operation erst dreimal gemacht hat?

 

Nun, üben und anfangen mussten wir alle einmal. Aber ernsthaft: Aktuell habe ich den Eindruck, dass Geschäftsmodelle konstruiert werden, die man dann versucht, mit Methoden in den Stiftungsmarkt zu drücken, die wir aus anderen Lebensbereichen kennen, von denen die Stiftungswelt bisher aber verschont geblieben war. Winheller sieht in npor 2011, 48 ff. sogar einen „Angriff auf die Stiftungswelt“. Er schreibt zur Treuhandstiftung von einem „Teufelspakt zwischen Treuhändern und Vertrieben“ sowie von „Falschberatung als Programm“. Wie sehen Sie das?

Winheller hatte doch sicher nicht vor, das wichtige Bindeglied zwischen der Spende und der rechtsfähigen Stiftung durch den Artikel in der npor per se zu verteufeln, um gleich bei den diabolischen Termini zu bleiben. Unselbständige Stiftungen sind bei einfachen Strukturen ebenso sinnvoll wie Trägerkörperschaften, die solche Stiftungen in der Verwaltung und in der Vermögensanlage effizient bündeln können. Es steht allerdings auch außer Frage, dass gerade die Treuhandstiftung auf Berater- bzw. Anbieterseite eine Spielwiese für Wölfe im Schafspelz sein kann. Aus meiner Sicht teilen sich in Deutschland nur etwa 5 ebenso relevante wie kompetente Anbieter den Markt. Auf einen dieser Anbieter werden sicherlich auch eher unvorbelastete Marktteilnehmer über kurz oder lang treffen. Wenn Sie zudem nach dem Begriff der Treuhandstiftung im Internet suchen, befindet sich der Bundesverband Deutscher Stiftungen unter den ersten Treffern. Das lässt hoffen, denn den kann und sollte man anrufen. Unter Beachtung meiner Ratschläge aus der vorangegangenen Frage wird dieses Thema in der Praxis wohl nicht so heiß gegessen werden müssen, wie es gekocht wird. Im Hinblick auf Finanzprodukte jedoch haben Sie meine ungeteilte Zustimmung. Ich behaupte, in jedem zweiten Stiftungsportfolio Positionen zu finden, die nicht ohne weiteres für Stiftungen geeignet sind. Ganz krause Auswüchse nehmen z.B. steueroptimierte Angebote für nicht steuerpflichtige Stiftungen an. Aber auch mancher geschlossene Fonds kann in einem Stiftungsportfolio abenteuerliche Auswirkungen haben – bis hin zu Einkünften aus Gewerbebetrieb anstatt ordentlicher Ausschüttungen. Da hatte ich in 15 Jahren Stiftungswesen schon manches Erlebnis.

 

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was würden Sie sich für die Stiftungswelt, für das Stiftungswesen wünschen?

Immanuel Kant hat in einem Zusammenhang mit Hochschulen einmal gesagt, dass er „eine gewisse Freiheit den Jünglingen nötig“ finde. Sie gehöre „zum Wesen und zum Gedeihen des Denkens“. Kurzum: Ich wünsche dem Stiftungswesen „Jünglinge“, die diese Freiheit leben wollen und leben können. Solange große Stifterinnen und Stifter die gemeinnützige GmbH der Stiftung vorziehen, damit sie sich die nach wie vor in der Szene vorhandenen Verhinderungsprogramme mancher Stiftungsaufsichten ersparen können, machen wir etwas falsch. Solange Kapitalerhalt von Januar bis Dezember gemessen werden darf und nicht über mehrere Jahre hinweg, springen wir zu kurz. Und auch das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung gehört, wenn auch nicht ausufernd, auf den Prüfstand – hier könnten wir von der Schweiz lernen. Die Mehrzahl der großen Stifterinnen und Stifter sind Unternehmer und waren mit ihrem Unternehmen erfolgreich, weil sie querdenken konnten. Dergleichen dürfen wir nach meinem Dafürhalten im Stiftungswesen nicht mit zuviel Bürokratie verhindern.

 

Haben Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen einen konkreten Rat für junge Menschen, die aktuell vor der Berufswahl stehen?

Die Frage ist sehr aktuell, denn ich habe das große Vergnügen und die Ehre, im Auswahlausschuss für die Studentinnen und Studenten an der Bucerius Law School zu sein – und die Auswahl für den nächsten Jahrgang haben wir just am vergangenen Wochenende abgeschlossen. Die Antwort ist einfach: Finden Sie das, wofür Ihr Herz schlägt. Lassen Sie sich nicht beirren, weder durch die Erwartungshaltung der Eltern, die vielleicht einen Weg vorgelebt oder vorgezeichnet haben, noch durch den nachvollziehbaren Wunsch, möglichst viel Geld zu verdienen. Bekanntlich kann man in anderen nur das entzünden, was in einem selbst brennt. Es ist wie mit der Partnerwahl – lassen Sie sich Zeit und treffen Sie dann die Entscheidung, die Sie vielleicht in den nächsten 45 Jahren begleiten wird.

 

Lieber Herr Funken, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.

Ich danke Ihnen.