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"Die Stiftung in der Beraterpraxis" widmet sich auch in der 4. Auflage ausführlich den Praxisfragen zur Stiftung.

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Dr. K. Jan Schiffer

Dr. K. Jan Schiffer ist Wirtschaftsanwalt und berät seit 1987 vor allem Familienunternehmen, Stiftungen, Verbände, staatliche Stellen, …mehr

Dr. Karsten Timmer zur Beratung von Stiftern und Stiftungen

Interview von Dr. K. Jan Schiffer (03/2010)

Dr. Karsten Timmer ist seit 2005 geschäftsführender Gesellschafter der panta rhei Stiftungsberatung, die vermögende Stifter und Spender bei der Planung sowie der Umsetzung ihrer gemeinnützigen Aktivitäten berät. Zuvor war Dr. Timmer bei der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh tätig. Dort führte er unter anderem die StifterStudie durch, die zum ersten Mal umfassende Informationen über die Motive, Vorgehensweisen und Ziele von Stiftern in Deutschland lieferte.
Timmer ist ehrenamtlich im Vorstand der Bielefelder Bürgerstiftung tätig und seit langem Stifterrat der Stiftung „Stifter für Stifter“ in München, die sich für die Förderung des Stiftungsgedankens in Deutschland einsetzt.
Der überzeugte Nicht-Jurist Timmer publiziert zu Fragen des Stiftungsmanagements und referiert auf Fachtagungen und Seminaren; so etwa auf dem Lehrgang Stiftungsmanagement des Centre for Philanthropy Studies (CEPS) an der Universität Basel.

k.timmer(at)beratung-pantarhei.de

www.beratung-pantarhei.de

 

Lieber Herr Timmer, Ihr Unternehmen bietet Beratungsleistungen für Stifter in allen Fragen außer den Bereichen Recht, Vermögen und Steuern an – was bleibt da noch?

Es bleibt der Kernbereich jeder Stiftung: die Projektarbeit und Mittelverwendung. Kurz gesagt, unterstützen wir Stifter dabei, ihre Stiftungen mit Leben zu füllen, indem wir ihnen dabei helfen, förderungswürdige Projekte zu finden. Angesichts der Tatsache, dass es allein in Deutschland über 600.000 Vereine gibt, stehen viele Stifter bei dieser Herausforderung vor der Qual der Wahl und sind unsicher, wem sie ihr Geld anvertrauen können. Wir helfen dabei, klare Prioritäten zu setzen und eine Stiftungsstrategie zu entwickeln, um dann in einem nächsten Schritt diejenigen Projekte auszuwählen, die zu der Stiftung und dem Stifter passen. Diese Projekte begleiten wir über die Förderungszeit, um sicherzustellen, dass die Mittel der Stiftung gut eingesetzt werden.

 

Sie bezeichnen sich selbst als überzeugten Nicht-Juristen. Wie grenzen Sie Ihr Angebot von den Leistungen der Rechtsanwälte und Steuerberater ab? 

Aus meiner Sicht ist die Beratung von Stiftern in Deutschland zu sehr juristisch geprägt. Natürlich ist es wichtig, eine Stiftung auf saubere stiftungs- und steuerrechtliche Grundlagen zu stellen. Aber dies sind eben nur die Grundlagen, die die Stiftung durch ihre Projekte mit Leben füllen muss. Nach meiner Erfahrung denken zu wenig Berater und zu wenig Stifter darüber nach, was eigentlich am Tag nach der erfolgreichen Anerkennung der Stiftung geschehen wird und was für Projektaktivitäten die Stiftung entfalten soll. Niemand würde auf diese Weise an eine Unternehmensgründung herangehen, aber für Stiftungen ist dies leider nicht selten. Ich würde mir also wünschen, dass im Gründungsprozess nicht nur steuerliche und rechtliche Aspekte beachtet werden, sondern auch strategische Fragen, die sicherstellen, dass die Stiftung später wirkungsvoll arbeiten kann. Denn darauf kommt es letztlich allen Stiftern zu recht an. In diesem Sinne ist unsere Beratung komplementär zu der Unterstützung durch Rechtsanwälte, Steuerberater und Vermögensberater.

 

Gibt es nach ihrer Erfahrung bestimmte Kennzeichen für eine gute Stiftung?

Das wesentliche Ergebnis der StifterStudie war, dass man Stifter nicht in bestimmte „Schubladen“ stecken kann. Jeder Stifter und damit jede Stiftung ist einzigartig. Für mich kommt es daher darauf an, dass sich Stifter in ihren Stiftungen wiederfinden. Gleichzeitig darf eine Stiftung nicht nur davon ausgehen, was sich die Stifter vorstellen, sondern muss auch prüfen, ob die Hilfe, die die Stiftung anbieten will, auch gebraucht wird. Eine gute Stiftung zeichnet sich deshalb meiner Ansicht nach dadurch aus, dass sie eine Balance herstellt zwischen den Ansprüchen und Zielen des Stifters einerseits und dem gesellschaftlichen Bedarf andererseits.

 

Sie arbeiten vor allem mit vermögenden Privatpersonen und Stiftern zusammen. Worin unterscheiden sich die Ansprüche und Vorstellungen dieser Klientel von den Erwartungen anderer Stifter?

Im entscheidenden Punkt gibt es keine Unterschiede: Alle Stifter möchten sicherstellen, dass ihre Mittel so gut und effizient wie möglich verwendet werden.

Bei vermögenden Personen ist allerdings das Bedürfnis nach Diskretion besonders ausgeprägt. Viele Vermögende nutzen eine Stiftung als Abschirmung, so dass sie sich aktiv engagieren können, ohne selbst in Erscheindung treten zu müssen, denn nach außen wird nur die Stiftung aktiv. Dies ist sicher ein Unterschied zu vielen anderen Stiftern, die stärker in der Öffentlichkeit stehen.

Ein weiterer Unterschied ist sicher, dass viele vermögende Stifter ein Familienunternehmen führen oder geführt haben. Für sie ist es wichtig, dass die Stiftung eine Beziehung zu ihrem Lebenswerk hat, zum Beispiel, indem die Stiftung an den Unternehmensstandorten tätig wird oder „unternehmensnahe Zwecke“ verfolgt, also etwa eine Stiftungsprofessur fördert, die im Tätigkeitsbereich des Unternehmens forscht.

Die Einbindung der Familie, gerade der nächsten Generation, ist ein dritter Punkt, der gerade Unternehmer-Stiftern sehr am Herzen liegt. In Familien, die sich sehr stark über die Zugehörigkeit zu einem Unternehmen definieren, kann eine Stiftung ein Betätigungsfeld schaffen, in das sich alle Mitglieder einer Familie einbringen können, um eine gemeinsame Aktivität außerhalb des Unternehmens zu entdecken.

 

Lassen Sie uns über die Phase der Gründung hinausschauen auf die Zeit, in der die Stiftung sich im Alltag bewähren muss. Was sind nach Ihrer Erfahrung die wesentlichen Erfolgsfaktoren einer guten Stiftung?

Nach meiner Erfahrung kommt es nicht in erster Linie auf das Vermögen und das Budget an. Es ist eine Binsenweisheit, dass man mit viel Geld wenig und mit wenig Geld viel erreichen kann. Den Unterschied machen die Menschen, die in der Stiftung Verantwortung tragen. Ein stark besetzter Vorstand, der sich die Anliegen des Stifters zu eigen macht und die Stiftung aktiv vorantreibt, ist der wichtigste Faktor, um eine Stiftung zum Erfolg zu führen. Nebenbei gesagt ist dies auch die beste Lebensversicherung für eine Stiftung. Denn wenn es gelingt, bereits frühzeitig ein starkes Vorstandsteam aufzubauen, können Stifter sicher sein, dass ihre Stiftung aktiv weitergeführt wird, wenn sie selbst eines Tages nicht mehr dabei sein können.

Den zweiten Erfolgsfaktor würde ich als „Dienstleistungsorientierung“ beschreiben. Nach meinem Verständnis sind Stiftungen Dienstleister am Gemeinwohl, wenn sie Organisationen und Projekte fördern, die einer bestimmten Zielgruppe dienen; seien es sozial benachteiligte Kinder, Nachwuchsforscher, Künstler oder Menschen in den Entwicklungsländern. Um diese Rolle bestmöglich auszufüllen, sollten Stiftungen ihre Leistungen am Bedarf der Gesellschaft auszurichten. Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass man vor einer Förderung Rücksprache halten sollte, wie man der bestreffenden Institution am wirkungsvollsten helfen könnte. Ich halte wenig davon, mit fertigen Lösungen an ein Problem heranzugehen. In vielen sozialen Organisationen arbeiten äußerst qualifizierte und motivierte Menschen, deren Sachverstand eine Stiftung unbedingt einbinden sollte. Davon profitiert nicht nur die Zielgruppe, der die Förderung zugute kommt, sondern auch die Stiftung selbst. 

 

Mit „Strategie“ und „Dienstleistungsorientierung“ benutzen Sie Schlagworte aus dem Bereich der Unternehmensführung. Die Frage ist, ob solche Konzepte ohne weiteres auf Stiftungen übertragbar sind. Wie unterscheidet sich eigentlich das Management einer Stiftung von der Führung eines Unternehmens?

Es ist seit einigen Jahren sehr in Mode, Begriffe aus der Unternehmenswelt auf Stiftungen zu übertragen. Grundsätzlich ist diese Management-Orientierung sehr zu begrüßen, denn tatsächlich kommt es darauf an, Stiftungen mit der gleichen Sorgfalt und Weitsicht zu führen wie ein Unternehmen.

Allerdings sollte man sich von den Begriffen nicht darüber hinweg täuschen lassen, dass es einige fundamentale Unterschiede gibt. Zunächst einmal gibt es bei einer Stiftung weder intern noch extern eine wirkungsvolle Kontrolle der Verantwortlichen. Eine Stiftung hat weder Eigentümer noch Mitglieder, denen ein Stiftungsvorstand Rechenschaft ablegen müsste. Zweitens fehlen in Stiftungen Kennzahlen und Marktsignale, an denen die Verantwortlichen ihre Aktivitäten ausrichten könnten. Man kann den Erfolg eines Integrations-Projektes in einem sozialen Brennpunkt einfach nicht mit den gleichen Maßstäben messen wie ein wirtschaftliches Investment. Und drittens ist das Überleben einer Stiftung von ihrer Leistung entkoppelt – solange sie für eine gute Anlage des Vermögens sorgt, kann sie jahrzehntelang schlechte Arbeit, also schlechte Projekte machen, ohne in ihrem Bestand gefährdet zu sein.

Es besteht also, überspitzt formuliert, für eine Stiftung „no need for excellence“. Die Orientierung an Management-Prinzipien hat daher den Charakter einer Selbstverpflichtung, die nötig, aber leider nicht selbstverständlich ist.

 

Sie wurden in dem kürzlich erschienenen Buch von Robert Jacobi zur „Goodwill-Gesellschaft“ als Kritiker des Stiftungswesens zitiert. Stiftungen tun doch viel Gutes – was ist daran schlecht?

Daran ist sicherlich nichts schlecht – im Gegenteil: Viele Stiftungen spielen in ihren Tätigkeitsbereichen eine wichtige Rolle und geben über die rein finanziellen Zuwendungen  auch entscheidende Impulse für die öffentlichen und politischen Debatten.

Mein Eindruck ist allerdings, dass viele Stiftungen hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Die große Unabhängigkeit von Stiftungen, die sie aufgrund ihres Vermögens genießen, ist letztlich Fluch und Segen zugleich: Die Unabhängigkeit ermöglicht es Stiftungen einerseits, Risiken einzugehen, innovative Projekte zu fördern und dort zu helfen, wo andere nicht helfen können oder wollen. Andererseits führt das „no need for excellence“-Problem auch dazu, dass viele Stiftungen vorschnell mit dem Erreichten zufrieden sind oder sich gar nicht darum kümmern, was sie eigentlich erreicht haben.

 

Das Stiftungswesen wächst von Jahr zu Jahr ungebrochen. Abgesehen von der zahlenmäßigen Entwicklung: Wo sehen Sie die wesentlichen Trends für die nächsten Jahre?

Ich denke, dass die Stichworte Transparenz und Erfolgsmessung in den nächsten Jahren erheblich an Bedeutung gewinnen werden. In einer Zeit, in der zahllose Steuerprivilegien von der Eigenheim- bis zur Pendlerpauschale auf den Prüfstand kommen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Steuerprivilegien der gemeinnützigen Organisationen hinterfragt werden. Hier kommt aus meiner Sicht eine Qualitätsdebatte auf den Sektor zu: Was tun Vereine und Stiftungen eigentlich mit den Mitteln, die die Gesellschaft ihnen zur Verfügung stellt? Welchen Mehrwert erzeugen sie – gerade in Vergleich zu staatlichen Maßnahmen?

Um sich für diese Debatten zu wappnen, müssen Stiftungen noch mehr Bewusstsein für die Effektivität und Effizienz ihrer Projekte entwickeln. Schließlich sind Stiftungsmittel unendlich wertvoll, denn auch wenn die Summen im Vergleich zu den staatlichen Haushalten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein darstellen, verfügen Stiftungen doch über freie Mittel, die für Innovationen, Impulse und Investitionen genutzt werden können. Stiftungen stellen, um noch mal einen Ausdruck aus der Wirtschaftswelt zu bemühen, das Risikokapital einer Gesellschaft. Es ist daher die Verantwortung jeder Stiftung, dafür zu sorgen, dass diese Mittel bestmöglichst eingesetzt werden. Dies ist eine Verpflichtung gegenüber dem Stifter, aber auch gegenüber der Öffentlichkeit, die die Aktivitäten von Stiftungen mittelbar mitfinanziert.

 

Lieber Herr Timmer, vielen Dank für das Gespräch!