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"Die Stiftung in der Beraterpraxis" widmet sich auch in der 4. Auflage ausführlich den Praxisfragen zur Stiftung.

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Dr. K. Jan Schiffer

Dr. K. Jan Schiffer ist Wirtschaftsanwalt und berät seit 1987 vor allem Familienunternehmen, Stiftungen, Verbände, staatliche Stellen, …mehr

Prof. Dr. Berit Sandberg zu Stiftungen und Personal

Interview von Dr. K. Jan Schiffer (09/2010)

Prof. Dr. Berit Sandberg ist seit April 2003 Professorin für Öffentliche Betriebswirtschaftslehre / Public Management mit dem Schwerpunkt Marketing an der HTW Berlin und leitet die Studiengänge "Public Management" (Bachelor) und "Nonprofit-Management und Public Governance" (Master).
Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre war sie bis 2001 als wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Rechnungs- und Prüfungswesen privater und öffentlicher Betriebe der Universität Göttingen tätig und hat sich mit einer Arbeit zur Rechnungslegung von Stiftungen habilitiert. Im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur war Prof. Sandberg u.a. für die Leitung des Projektes "Stiftungshochschulen" verantwortlich, mit dem 2003 die ersten staatlichen Hochschulen in Stiftungen des öffentlichen Rechts überführt wurden.
Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Non Business Marketing, Controlling nichtkommerzieller Institutionen und Corporate Social Responsibility und nicht zuletzt im Stiftungswesen. Prof. Sandberg gehört zu den wenigen Wissenschaftlern in Deutschland, die sich mit Stiftungen aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive beschäftigen, und hat Veröffentlichungen zum Rechnungswesen, zum Personalmanagement, zur Markenpolitik und zur Evaluation von Stiftungen vorgelegt. Zu ihren wichtigsten Arbeiten gehören empirische Studien zum Stand des Stiftungsmanagements in Deutschland und zur Vergütung von Führungskräften in Stiftungen.

http://www.f3.htw-berlin.de/Professoren/Sandberg/

 

Liebe Frau Prof. Dr. Sandberg, Sie beschäftigen sich wissenschaftlich u. a. mit Stiftungen. Eines Ihrer Themen ist "Personalbeschaffung" für Stiftungen. Inwieweit ist das ein Thema für die Praxis?

Das Personalwesen ist das Stiefkind des Stiftungsmanagements. Viele Stiftungen könnten z.B. in der Personalentwicklung oder beim Freiwilligenmanagement mehr tun. Ob Stiftungen auch bei der Personalbeschaffung mehr tun müssten, ist schwerer zu beurteilen. Wir wissen nur, dass Recruiting, wie die Profis gerne lässig sagen, nur für jede zweite Stiftung überhaupt ein Thema ist.

 

Woran liegt das?

Im Hinblick auf die Personalstärke sind die meisten Stiftungen kleine Organisationen, und der Anzahl der Freiwilligen bzw. Ehrenamtlichen ist hoch. Im Durchschnitt beschäftigt eine Stiftung 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber diese Zahl täuscht. In drei Viertel der Stiftungen arbeiten nicht mehr als zehn Menschen.
Weniger offensichtlich ist die Tatsache, dass die Verweildauern lang sind. Jeder zweite arbeitet fünf bis zehn Jahre in einer Stiftung. Führungskräfte, die wir befragt haben, sind im Schnitt seit gut acht Jahren in ihrer Position.
Bei manchen Stiftungen schreibt die Satzung auch eine Personalunion vor, die die Stiftung an einen Stifter bindet, der eine juristische Person ist. Da gibt es gar keinen Handlungsspielraum.
Wenn der Personalbestand und die Fluktuationsraten niedrig sind, besteht natürlich selten die Notwendigkeit, Personal zu akquirieren. Das ist in Unternehmen übrigens anders. Da liegen die durchschnittlichen Fluktuationsraten bei ca. 10 Prozent pro Jahr.

 

Dann sind Stiftungen ja durchaus attraktive Arbeitgeber, oder?

Das sind sie zweifellos. Die Arbeitszufriedenheit ist ungewöhnlich hoch. Wenn Sie Führungskräfte in Stiftungen fragen, werden Sie von fast allen hören, dass sie zufrieden mit ihrer Tätigkeit und den Arbeitsbedingungen sind.

 

Sind Stiftungen als Arbeitgeber so attraktiv, dass sie es gar nicht nötig haben, z. B. Stellenanzeigen zu schalten, weil sie von Bewerbern überrannt werden? Ausschreibungen von Stiftungen sieht man ja auch eher selten oder täuscht dieser Eindruck?

Nein, das haben wir empirisch belegt. Nur 40 Prozent der Stiftungen schreiben Stellen aus oder arbeiten mit Agenturen zusammen. Und das sind in erster Linie Stiftungen mit mehr als 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und größeren Budgets, die sich solche vergleichsweise aufwändigen Verfahren auch leisten können und wollen.
Für eine Studie zum Recruiting von Führungskräften in Stiftungen haben wir anderthalb Jahre die Augen offen gehalten. In dieser Zeit wurden in der Wochenzeitung DIE ZEIT, deren Stellenmarkt eine gute Quelle ist, ganze sieben Vorstandspositionen ausgeschrieben.
Die These mit der Attraktivität müssen wir aber so stehen lassen. Ich kann sie weder bestätigen noch widerlegen. Interessant ist allerdings, dass die Stiftungen, die überhaupt Anzeigen platzieren, diese gar nicht als Kommunikationsinstrument begreifen. Aspekte, die Stiftungen als Arbeitgeber attraktiv und einzigartig machen, werden gar nicht angesprochen. Als Arbeitgeber verkaufen sich Stiftungen damit unter Wert.

 

Wenn es nicht über Stellenanzeigen läuft, wie kommen Stiftungen denn dann zu ihren Mitarbeitern?

Drei Viertel der Stiftungen besetzen vakante Stellen über persönliche Kontakte. Das ist vor allem bei Führungspositionen beliebt. Potenzielle Nachfolger werden meistens gezielt von der Leitung oder vom Vorgänger angesprochen. Auch in anderen Nonprofit-Organisationen läuft das so.

 

Und woher kommen die Führungskräfte? Haben die schon Erfahrungen mit Stiftungen? Ist das vielleicht sogar ein Auswahlkriterium?

Manche Führungskräfte kommen aus den eigenen Reihen. Sie waren vorher im Schnitt zwei Jahre in der Stiftung tätig und steigen dann auf. Das ist aber nicht die Regel. Führungspositionen werden meistens extern besetzt. Zwei Drittel der Vorstände kommen von außen. Bei Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern sind es sogar drei Viertel. "Stallgeruch" ist vor allem in großen Stiftungen kein Muss. Von Führungskräften wird nicht unbedingt erwartet, dass sie vorher in einer Stiftung oder überhaupt in einer Nonprofit-Organisation gearbeitet haben. Bei Berufseinsteigern ist das ganz anders. Wer im Nonprofit-Sektor arbeiten und dafür bezahlt werden will, sollte sich vorher freiwillig engagiert haben.

 

Worauf kommt es denn dann an? Wie sieht das typische Anforderungsprofil aus?

Ein stiftungstypisches Anforderungsprofil gibt es nicht. Dazu ist der Sektor zu heterogen. Entscheidende Komponenten sind immer die fachliche Qualifikation auf der einen und der Stiftungszweck bzw. das konkrete Aufgabengebiet auf der anderen Seite.
Bei den Anforderungen für Führungspositionen unterscheiden sich Stiftungen weniger von Unternehmen als man erwarten könnte. Da zählen Führungserfahrung, Persönlichkeitsmerkmale und soziale Kompetenzen, die man im Allgemeinen für solche Positionen braucht, wie z.B. Engagement und Verantwortungsbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit und Verhandlungsgeschick. Auffällig ist der extrem hohe Akademikeranteil. Er liegt bei ca. 90 Prozent.

 

Welche Chancen haben Frauen in Stiftungen?

Vor fünf Jahren haben wir in einer Studie, die für den Datenbestand des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen repräsentativ war, einen Frauenanteil von 44 Prozent ermittelt. Ich bin gespannt, ob die aktuelle Erhebung des BVDS zu einem vergleichbaren Wert führt.
Er zeigt nämlich, dass Frauen in Führungspositionen absolut und relativ gesehen unterrepräsentiert sind. Nur 23 Prozent der Vorstandspositionen sind mit Frauen besetzt. Frauen schaffen es eher in die Geschäftsführung. Da sind sie zu 39 Prozent vertreten.
Frauen leiten eher kleine Stiftungen. Je größer das Stiftungsvermögen ist, desto schlechter sind die Aussichten auf eine Führungsposition, erst recht in einer operativen Stiftung. Frauen werden bei gleicher Qualifikation schlechter bezahlt als ihre Kollegen in vergleichbarer Position. Der Verdienstabstand liegt bei 25 Prozent der durchschnittlichen Männerverdienste.
Das klingt wenig erfreulich, aber im Vergleich zum öffentlichen Sektor oder gar zur Privatwirtschaft sind das schon recht "frauenfreundliche" Werte.

 

Liebe Frau Prof. Dr. Sandberg, vielen Dank für das Gespräch.