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Dr. K. Jan Schiffer

Dr. K. Jan Schiffer ist Wirtschaftsanwalt und berät seit 1987 vor allem Familienunternehmen, Stiftungen, Verbände, staatliche Stellen, …mehr

Jürgen Ulrich: Stiftermotive

Interview von Christoph J. Schürmann (07/2016)

Jürgen Ulrich, Bankbetriebswirt, zertifizierter Stiftungsmanager (EBS) und Testamentsvollstrecker (EBS). Seit 45 Jahren bei der Sparkasse Zollernalb, derzeit stellv. Leiter der Abteilung Vorstandsstab/Unternehmenssteuerung. Geschäftsführender Vorstand der vier rechtsfähigen Sparkassenstiftungen, wobei eine davon  - die Stiftung „Ich stifte Zukunft“ -  als Rechtsträgerin für rechtlich unselbständige Kunden-Treuhandstiftungen fungiert. Zu seinem Aufgabengebiet zählt auch das Geschäftsfeld Testamentsvollstreckung.

 

Sehr geehrter Herr Ulrich, Sie haben im Rahmen Ihrer Tätigkeit viel Erfahrung mit der Errichtung von Stiftungen, insbesondere auch mit Treuhandstiftungen. Was ist aus Ihrer Sicht die Hauptmotivation für Stifter?

Das Hauptmotiv der Kunden besteht keineswegs darin  - wie viele vermuten -  Steuern zu sparen, eine Stiftung quasi als Steuersparmodell zu nutzen. Unser Haus führt derzeit 29 Kundenstiftungen. Alle wurden ausnahmslos von unseren Kunden gegründet, um ein Anliegen zu fördern, das ihnen sehr am Herzen liegt und mit dem sie sich schon seit längerer Zeit beschäftigen.

Können Sie einige Beispiele aus der Praxis nennen?

Gerne. Ein typischen Beispiel sind drei Unternehmer aus einer Kleinstadt in unserem Geschäftsgebiet. Alle drei stammen aus diesem Ort, haben ihre Firmen dort und sind als Unternehmer sehr erfolgreich. Mit der Stiftung, die sie für die Belange ihrer Heimatstadt gegründet haben, wollen Sie „ihrer“ Stadt etwas zurückgeben.

Ein weiteres Beispiel: Eine verwitwete Kundin ist leider ungewollt kinderlos geblieben. Nun wird sie mit der von ihr gegründeten Stiftungen Kinder und Jugendliche fördern.

Noch ein Beispiel: Ein aidskranker Kunde, der in Schulen Vorträge hält, um die Jugendlichen durch Aufklärung vor dieser Krankheit zu schützen, hat eine Stiftung gegründet, die die Aidsforschung unterstützt.

Diese Liste ließe sich noch um viele weitere Fälle fortführen.

Nicht selten sind ja heutzutage auch Fälle, in denen gar keine potentiellen Erben mehr vorhanden sind oder jedenfalls kein Kontakt mehr zu näheren Angehörigen besteht. Eine Stiftung soll dann als „selbstgeschaffener Erbe“ die Lücke füllen. Haben Sie auch solche Erfahrungen gemacht?

Auch hierzu gibt es in unserem Haus Erfahrungen. In einigen Fällen war es so, dass die nächsten Angehörigen Cousins und Cousinen oder gar deren Kinder oder noch weiter entfernte Verwandte sind. Häufig besteht zu solchen Verwandten gar kein Kontakt. Oft kennen die Erblasser diese Personen gar nicht.

Hier ist die Bereitschaft, über das Testament eine Stiftung zu gründen, sehr groß. Die wichtigste Überlegung dabei lautet: „Meine Verwandten, die ich nicht kenne, sollen nicht erben. Dann soll mit meinem Geld nach meinem Tod lieber etwas Sinnvolles gemacht werden und es soll in der Gemeinnützigkeit eine Heimat finden.“ Ich denke, dass ist durchaus nachvollziehbar. In zwei Fällen hat hier zu Lebzeiten bereits eine Anstiftung stattgefunden. Damit besteht die Stiftung bereits, die erben soll.

Gibt es aus Ihrer Sicht typische Praxisprobleme bei der Errichtung von Treuhandstiftungen?

Hier gibt es verschiedene Dinge zu nennen.

Treuhandstiftungen werden hauptsächlich gegründet, um auch kleinere Vermögen für die Stiftungsarbeit nutzbar zu machen. Damit sind häufig Kunden beteiligt, die nur wenige Kenntnisse vom Stiftungsrecht, der Abgabenordnung usw. haben. Dies führt insbesondere bei der Festlegung des Stiftungszwecks zur größeren Diskussionen. Zum einen sollte der Stiftungszweck nicht zu konkret sein, um eine Förderbandbreite zu ermöglichen, zum anderen wollen die Kunden häufig eine ganz bestimmte Institution fördern. Dieses Spannungsfeld muss der Berater im Rahmen der Stiftungsgründung auflösen.

Ein weiteres Problem stellen die Berufungen in die Gremien der Stiftungen dar. Wie allgemein bekannt, ist es nicht immer einfach, geeignete Personen für Stiftungsgremien zu finden. Der Stifter selbst ist immer mit vollem Engagement dabei und nimmt gerne die Arbeit in einem Stiftungsgremium auf sich. Seine „Nachfolger“ sind oft gar nicht mehr so sehr daran interessiert. Auch hier muss im Rahmen der Beratung eine zukunftsträchtige Lösung gefunden werden.

Erfreulicherweise findet man immer öfter das lebzeitige „Anstiften“ einer Stiftung um diese dann später, in der Regel von Todes wegen, mit weiteren Vermögenswerten ausstatten zu können. Haben Sie damit auch Erfahrungen gemacht?

Auch unter diesem Aspekt haben wir einige Stiftungen gegründet. Hier herrscht bei den Kunden stets die Denkweise vor, dass man zu Lebzeiten nur einen geringen Anteil des Vermögens in eine Stiftung einbringen will. Der große Rest soll dann über das Testament in die Stiftung fließen.

Hintergrund für diese Haltung ist einzig und allein die Tatsache, dass sich die Kunden den größten Teil ihres Vermögens sicherstellen wollen, falls dies für die Pflege im Alter benötigt wird. Es handelt sich also um ein reines Sicherheitsdenken.

Einerseits ist dies für mich völlig nachvollziehbar. Andererseits könnten fast alle Kunden bei einer objektiven Betrachtung deutlich höhere Beträge zu Lebzeiten in die Stiftung einbringen. Für die Kunden gilt eben der Grundsatz: Meine Sicherheit geht vor.

Die allgemeine Nachrichtenlage zu drohender Altersarmut, Versorgungslücken etc. trägt wohl auch zu diesem erhöhten Sicherheitsbedürfnis bei. Da ist es in der Tat verständlich, wenn die eigene Vorsorge zu Lebzeiten noch im Vordergrund steht. Haben Sie denn auch schon erlebt, dass Stifter es sich nach der „Anstiftung“ anders überlegt haben, also z.B. eine letztwillige Vermögenszusage widerrufen oder sogar die Stiftung wieder auflösen?

Bisher habe ich das nicht erlebt. Das liegt sicher auch daran, dass die Gründung einer Stiftung keine Entscheidung ist, die kurzfristig getroffen wird. Bei allen Fällen sind die Stifter erst nach einem längeren Überlegungsprozess zur Stiftung gekommen. Diesen Prozess sinnvoll und mit hoher sozialer Kompetenz zu begleiten ist eine wichtige Aufgabe des Stiftungsberaters.

Wie gehen die Familien, insbesondere die Abkömmlinge von Stiftern damit um, wenn sich die Eltern zur Errichtung einer Stiftung entschließen? Man spricht ja in diesem Zusammenhang auch von einer erforderlichen „Stiftungsreife“, bei der im Idealfall nicht nur die Stifter sondern auch deren familiäres Umfeld den Stiftungsgedanken mitträgt und unterstützt.

Stiftungsgründer waren bei uns bisher fast ausschließlich Kunden, die keine direkten Nachkommen haben. Bei den wenigen Stiftern, die direkte Nachkommen haben, hat immer im Vorfeld eine Abstimmung im Familienrat stattgefunden. Ich halte dies auch für absolut angebracht und im Sinne des Familienfriedens richtig und notwendig. Ideal ist es dann, wenn die Abkömmlingen bei den Beratungen zur Stiftungsgründung mit anwesend sind.

Allerdings muss ich dazu sagen, dass bei diesen Stiftungsgründungen die Vermögen immer so hoch waren, dass das zugewendete Stiftungskapital keine ausschlaggebende Größe im Hinblick auf das Gesamtvermögen dargestellt hat.

„Stiften mach glücklich“ - so hat es Dr. Christian Weizmann, Mitbegründer des Initiativkreises „Anstiften“ einmal auf den Punkt gebracht. Können auch Sie das nach Ihrer langjährigen Tätigkeit bestätigen?

Das kann ich sehr wohl bestätigen. Kunden, die zu Lebzeiten eine Stiftung gründen, sind häufig sehr stolz auf das, was sie da ins Leben gerufen haben. Wenn sie auch in den wenigsten Fällen an die Öffentlichkeit sollen, so tragen sie durch die Stiftungsgründung doch eine große innere Befriedigung mit sich.

Zum Abschluss noch eine Frage, die wir„traditionell“ gerne den hier interviewten Persönlichkeiten stellen: Haben Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen einen konkreten Rat für junge Menschen, die aktuell vor der Berufswahl stehen?

Viele junge Menschen geben zu erkennen, dass sie sich mit der Berufswahl schwer tun oder gar manchmal überfordert sind. Daher ist es zwingend notwendig, die angebotenen Informationsmöglichkeiten konsequent zu nutzen.

Eine große Hilfe ist erfahrungsgemäß ein Gespräch mit Menschen, die in dem Beruf sind, der im Fokus des Interesses steht. Auch Praktikas können hier weiterhelfen. Ebenso sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten wichtig, die ein Beruf bereit hält. Allerdings treten diese sehr schnell in den Hintergrund, wenn der gewählte Beruf nicht dauerhaft befriedigend ist.

Daher ist es immer wichtig, nicht nur den Verstand einzuschalten, sondern auch die Emotion zu ihrem Recht kommen zu lassen. Die Fragen: "Was gibt mir diese Tätigkeit? Schlägt mein Herz dafür? Ist die Tätigkeit in meinen Augen sinnvoll und nutzbringend für andere?"" sollte nicht außer acht gelassen werden. Diese Fragen können am Ende entscheidend sein.

Sehr geehrter Herr Ulrich, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!