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Dr. K. Jan Schiffer

Dr. K. Jan Schiffer ist Wirtschaftsanwalt und berät seit 1987 vor allem Familienunternehmen, Stiftungen, Verbände, staatliche Stellen, …mehr

Thorsten Göbel: Kapitalanlage für Stiftungen am möglichen Zinswendepunkt - Was darf, kann und muss ein treuhänderischer Investor aktuell wagen?

Interview von Dr. K. Jan Schiffer (09/2017)

Thorsten Göbel ist Direktor bei Grossbötzl, Schmitz & Partner in Düsseldorf. Die Betreuung und Akquisition institutioneller und semi-institutioneller Kunden stehen im Fokus des Stiftungsberaters (DSA). Der Dipl.-Kfm. hat langjährige Erfahrung in der Vermögensverwaltung und dem Asset Management aus Tätigkeiten für nationale und internationale Banken. Die Strukturierung und Verwaltung großer Vermögen ist ein Schwerpunkt des zertifizierten Finanzplaners und LL.M. für Wirtschafts- und Steuerrecht. Herr Göbel lebt mit seiner Familie in Wuppertal und ist dort in mehreren ehrenamtlichen Funktionen aktiv, u.a. als Kuratoriumsmitglied einer Stiftung.

 

Herr Göbel, wir haben uns bei Ihrem Lehrgang zum Stiftungsberater an der Deutschen Stiftungsakademie kennengelernt. Sie haben damals schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Sie die Zurückhaltung, die viele Stiftungsvorstände bei ihren Kapitalanlagen an den Tag legen, nicht für zielführend halten. Wie ist Ihre Einschätzung heute?

Einerseits ist inzwischen glücklicherweise eine gewisse Veränderung im Sinne einer Öffnung gegenüber Anlagen, mit denen noch Erträge zu erzielen sind, festzustellen. Andererseits scheint das Gros der Verantwortlichen noch immer den jeweils erlaubten Rahmen nicht auszuschöpfen, vielfach wird an historisch Gelerntem und heute zum Teil Überholten festgehalten.

Die Stiftungsvorstände haben womöglich in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass man letztlich schon irgendwie klargekommen ist – warum also mehr Risiken eingehen?

Mit dem Blick in den Rückspiegel mag das überwiegend richtig sein, nach vorne aber wohl eher nicht. Bei den meisten Stiftungen dürfte es inzwischen ein Auslaufen der höheren Kupons und Verzinsungen gegeben haben. Gerade bei operativen Stiftungen mit gewissen Fixkosten oder auch Förderstiftungen mit größeren Projektzusagen gibt es schon Sorgenfalten. Hinzu kommt: wer auf höhere Zinsen setzt, sollte auf jeden Fall einen aufmerksamen Blick auf das Risiko seiner Festverzinslichen Wertpapiere im Bestand werfen. Ein ‚weiter so‘ wird es aus meiner Sicht jedenfalls nicht geben.

Sie raten also zu einer Veränderung?

Zumindest plädiere ich dafür, die eigene Situation zu analysieren und darauf aufbauend verschiedene Strategien mit ihren Vor- und Nachteilen zu prüfen. In ihrem Kerngeschäft gehen die Verantwortlichen ja schließlich ebenso vor. Wenn das eigene Know How nicht reicht, spricht alles dafür, sich extern beraten zu lassen. Auch dies ist ja im Hinblick auf die zweckfördernden Stiftungsaufgaben nicht unüblich. Übrigens gehört die Vermögensverwaltung auch zu den Kernaufgaben… Um nicht falsch verstanden zu werden: natürlich ist mir klar, dass die allermeisten Vorstände sich hinsichtlich ihrer Kapitalanlagen durch die örtlichen Banken und Sparkassen beraten lassen und dass diese Beratung auch gewissenhaft erbracht wird. Meine These ist allerdings, dass der Rahmen, der von den Verantwortlichen auf Stiftungsseite gesetzt wird und auch der, der von den meisten Beratern genutzt wird, der Schwierigkeit der Situation vielfach nicht mehr gerecht wird. Die Gründe liegen bei den Instituten beispielsweise in internen Vorgaben, in einem ‚das machen wir immer so‘ und manchmal auch in einer unvollständigen Analyse der Mandanten-, hier also der Stiftungssituation. Ich denke, dass die meisten Vorstände es zu schätzen wissen, wenn ihre Überlegungen konstruktiv hinterfragt werden und halte dies für eine Pflicht des Vermögensverwalters.

Das klingt alles nach viel Arbeit für den Vorstand und zusätzlichen Kosten für die Stiftung…

Zunächst klingt es vielleicht so - aber es stimmt zum Glück eher nicht. Natürlich gibt es am Markt Berater, die sich über Honorare finanzieren und dafür einer Stiftung bei der Analyse, Strategiefindung und Auswahl geeigneter Anbieter für die Kapitalanlage helfen. Dies findet nicht selten in einem größeren Prozess statt, der auch den Stiftungsmitarbeitern Arbeit macht und der natürlich auch seinen Preis hat – ohne dass damit schon das Asset Management bezahlt wäre. Ich denke schon, dass diese Dienstleistung ihren Platz im Markt hat und meine grundsätzlich auch nicht, dass sie unverhältnismäßig teuer wäre. Allerdings glaube ich, dass für viele Stiftungen dieser Aufwand unter Zeit- und Kostenaspekten nicht unbedingt notwendig ist und ich sehe ganz klar das Risiko, dass diese Hürde dazu führt, dass die Analyse am Ende unterbleibt. Das wäre offensichtlich die schlechteste Variante.

Was könnte eine Überprüfung der Situation und ein Umdenken denn fördern?

Hier spreche ich aus der Sicht eines Vermögensverwalters. In unserer Branche ist es schon lange üblich, die Vorarbeiten zu einem Mandat eher nicht zu berechnen sondern diesen Aufwand als eigene Akquisitionskosten zu verbuchen. Natürlich benötigt man einen Anbieter und auch einen Berater, der sich für Stiftungen interessiert und auch Kompetenz in diesem Bereich hat. Es sollte eine gewisse Lust bestehen, Zeit zu investieren und vielleicht besteht ja sogar ein Interesse an den Zielen der Stiftung. Glücklicherweise ist diese Kombination inzwischen gar nicht mehr so selten und die Informationen darüber, an wen man sich wenden kann, sind in der einschlägigen Presse, im Internet oder auch bei Seminaren problemlos verfügbar.

Es finden sich viele Fälle, in denen die Satzung nichts Wesentliches zur Beantwortung der Frage beiträgt, wie angelegt werden sollte. Auch eine Anlagerichtlinie ist häufig noch nicht verabschiedet. Dies gilt sicher eher nicht für die größeren Stiftungen, ist aber auch bei siebenstelligem Anlagevermögen leider keine Seltenheit. Die guten Berater der Zunft helfen in solchen Fällen nicht selten aus freien Stücken bei der Erstellung einer sinnvollen Anlagerichtlinie, die dem Vorstand in der Folge die praktische Arbeit sehr erleichtert. Die Stiftungen könnten diese Möglichkeiten stärker nutzen.

Bisher haben wir über das ‚Warum‘ und das ‚Wie‘ gesprochen – wie steht es um das ‚Was‘?

Auf die Notwendigkeit, aufgrund der sehr niedrigen Zinsen auch in Aktien oder andere, traditionell als risikotragend angesehene Aktiva investieren zu müssen, ist bereits vielfach hingewiesen worden. Ebenso bekannt ist allerdings auch, dass genau diese Investition von den Deutschen nicht sehr geschätzt wird. Der Grund dafür dürfte in erster Linie in den potentiellen Verlusten zu finden sein, die befürchtet werden. Allerdings muss wohl eher von zwischenzeitlichen Verlusten gesprochen werden, ist die Wertentwicklung von Aktien doch, wählt man den Zeitraum nur lang genug, in der Vergangenheit immer positiv gewesen. Die Aversion besteht also möglicherweise vor allem, weil die zwischenzeitlichen Schwankungen, die den Anleger temporär ins Minus führen können, aufgrund der täglichen Bewertung sehr transparent und deshalb so gut zu erkennen sind. Während, zumindest in der Vergangenheit, die Erträge aus Festverzinslichen oder Renditeimmobilien plan- und berechenbar waren, gilt dies eben nicht für das, aus Anlegersicht, unberechenbare Auf- und Ab an den Aktienmärkten, das gerade in seinen Übertreibungsphasen mehr nach Spekulation denn nach Investition aussieht.

…also müsste genau dieses Unkalkulierbare verhindert, zumindest aber reduziert werden…

So ist es. Meines Erachtens muss die Vermeidung starker Einbrüche im Bereich der liquiden Kapitalanlage Priorität haben. Die Erfahrung zeigt, dass auch der vermeintlich ‚coole‘ Anlegertyp früher oder später nervös wird; dies dürfte im Regelfall erst recht für Stiftungen gelten. Verluste zu begrenzen, hilft nicht nur, schneller wieder über der Nulllinie zu sein, sondern vor allem auch, den Investor in seinem Investment zu halten. Denn dieses Phänomen haben sicher schon viele Anleger an sich selbst beobachtet: zum schlechtesten Zeitpunkt wird aufgegeben und nahe des Tiefpunktes verkauft, die anschließende Erholung wird dann verpasst.

Das ist aber sicher eher ein Privatanleger-Phänomen…

Das ist richtig – aber Stiftungsvorstände sind eben auch Privatanleger mit entsprechenden Erfahrungen. Um also diesen Punkt der Kapitulation gar nicht erst zu erreichen - und somit über längere Zeiträume investiert zu bleiben – ist vor allem die kluge Zusammenstellung des Portfolios im Vorfeld notwendig, die die Schwankungen nach unten reduziert. Die Möglichkeiten, dies zu erreichen, sind ausgesprochen vielfältig und müssen im Einzelfall gut abgewogen werden. Viele Konzepte haben als Preis für mehr Sicherheit eine reduzierte Ertragserwartung im Vergleich zu einem Indexinvestment; im Vergleich zur reinen Zinsanlage allerdings eröffnen sich enorme längerfristige Ertragspotentiale. Diversifikation, niedrige Bewertungen und hohe Cash Flows führen zum Beispiel auf ganz einfache Weise zu tendenziell vorsichtigeren Portfolios. Werden derartige Cash Flows auch noch zur Zahlung ordentlicher Dividenden genutzt, ist dies für Stiftungen erst recht attraktiv. Auch Nachhaltigkeitskriterien, die von vielen Stiftungen ja inzwischen ohnehin stärker berücksichtigt werden, sind meiner Meinung nach ein geeignetes Instrument der Risikovermeidung.

Bei Stiftungen finden häufig die Begriffe ‚Impact‘ und ‚Mission Investing‘ Erwähnung im Kontext zum nachhaltigen Investieren. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ich habe hier eine ganz klare Haltung: wann immer eine Stiftung geeignete Projekte für diese Ansätze findet und organisatorisch in der Lage ist, diese sauber umzusetzen, sollte sie sich sehr um diese Themen bemühen. Auch wenn in solchen Fällen die Mittel in der Regel nicht zur Verwaltung in meiner Branche landen, muss doch ganz klar gesagt werden, dass die Rendite im Sinne des ‚Impacts‘ für den Stiftungszweck ungleich höher ist. Man sollte eben vorher nur gut prüfen und den Aufwand nicht unterschätzen. Und das Gebot der ‚Risikostreuung‘ gilt natürlich auch hier. Es ist allerdings für die meisten Stiftungen größenbedingt viel schwieriger umzusetzen als in einem Wertpapierportfolio.

Die von Ihnen genannten Konzepte sind zu akzeptablen Kosten für Stiftungen verfügbar?

Auf jeden Fall. In der Tat sind für dauerhaft erfolgreiches Investieren qualitativ hochwertige Anlagelösungen und Investmentprodukte die Voraussetzung. Diese müssen von den Asset Managern zu fairen Kosten verfügbar gemacht werden. Gerade für Stiftungen ist dies allerdings einfacher als für Privatkunden, denn in aller Regel werden niedrigere Kosten angesetzt. Keine Stiftung sollte sich mit den ‚Standardkonditionen‘ abspeisen lassen.

Ihre Empfehlung also?

Auch ein Stiftungsanleger benötigt Disziplin und Beharrlichkeit, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Ich rate zu Investments, die dies in der Praxis erleichtern. Ein bisschen mehr Mut bei der Kapitalanlage wird überdurchschnittlich gut entlohnt - trauen Sie sich, es zu prüfen!

Abschließend möchte ich Ihnen gerne noch eine Frage stellen, die wir hier auf www.stiftungsrecht-plus.de fast immer an das Ende eines Interviews stellen: Auch heutzutage stehen junge Leute vor der wichtigen Frage ihrer Berufswahl. Welche Tipps können Sie diesen jungen Leuten für eine erfolgreiche Zukunft geben?

Nach meinem Eindruck ist der zentrale Treiber der globalen Entwicklung der technische Fortschritt und ich vermute, dass dies grundsätzlich so bleibt. Im Idealfall steht man bei diesem Trend nicht nur an der Seitenlinie, sondern gestaltet aktiv mit. Dafür ist kein naturwissenschaftliches Studium nötig, bei anderer Neigung lassen sich viele andere Fähigkeiten in den entsprechenden Unternehmen einbringen. Zu einer gewissen Informiertheit würde ich jungen Leuten aber auf jeden Fall raten, denn nur dann kann man auf Veränderungen frühzeitig reagieren. Stichwort Neigungen: natürlich sollte man diesen folgen, denn nur dann macht man das, was man tut, auf Dauer wirklich gut, zum Wohle aller und zum eigenen. Lebenslanges Lernen sollte dabei von vorneherein mit zum Plan gehören. Und ehrenamtliches Engagement, mit welchem Zeitbudget auch immer, halte ich persönlich für alle Bürger für sehr wünschenswert.

Ein strammes Programm also – aber eines, das über ein ganzes Leben zufrieden machen kann.

Herr Göbel, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!