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"Die Stiftung in der Beraterpraxis" widmet sich auch in der 4. Auflage ausführlich den Praxisfragen zur Stiftung.

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Dr. K. Jan Schiffer

Dr. K. Jan Schiffer ist Wirtschaftsanwalt und berät seit 1987 vor allem Familienunternehmen, Stiftungen, Verbände, staatliche Stellen, …mehr

05.02.2011Muscheler, Erbrecht I und II

Von: K. Jan Schiffer

Karlheinz Muscheler, Erbrecht, Tübingen, 2010, 2 Teilbände, Bd: I XXXV, 1212 Seiten, Bd. II: XXVIII 1213-2387 Seiten (Lehrbuch des Privatrechts), ISBN 978-3- 16-150421-1, Leinen, € 279,-- (Mohr Siebeck)
(ZErb 02/2011)

Muscheler, jedem, der sich mit Erbrecht beschäftigt, als profunder Wissenschaftler bestens bekannt, hat ein Opus Magnum vorgelegt und das während seiner aktiven Zeit als Rechtsprofessor in Bochum und nicht etwa in der „ruhigeren“ Emeritus-Phase. Das ist mit Blick auf seine sonstigen zahlreichen Fachveröffentlichungen (etwa auch zum Stiftungsrecht) und ob der jahrelangen wissenschaftlichen Arbeit, die ersichtlich in den beiden Erbrechtsbüchern steckt, sehr zu bewundern. Es ist für die Arbeit in der Praxis zudem sehr zu begrüßen. Wird doch das Erbrecht in der Beratungspraxis seit Jahren immer wichtiger und dabei ist kein Ende abzusehen. So gelangt schon seit geraumer Zeit und andauernd das in der Nachkriegszeit aufgebaute Vermögen in die nächste Generation. Nicht nur in der Unternehmenswelt gibt es schwierige Nachfolgeprobleme.

Was bietet das Buch dem Leser ganz konkret?

Die Verlagswerbung meint: In seinem zweibändigen Lehrbuch „Erbrecht“ behandele Karlheinz Muscheler das gesamte Gebiet des Erbrechts in wissenschaftlich vertiefter und zugleich praxisbezogener Weise. Das ist eine große Verheißung. Um das Ergebnis meiner Stichproben vorwegzunehmen: Die Verlagswerbung übertreibt nicht. Das ist ein hohes Lob in der heutigen Zeit der allgemeinen Überhöhungen und Übertreibung, die wir nicht nur in der Werbung finden. Lediglich der Hinweis, dass es sich um ein „Lehrbuch“ handeln soll, ließ mich zunächst ein wenig „zucken“. Richtet sich doch ein Lehrbuch gemeinhin an Studenten. Die werden ca. 2.400 Seiten neben allem anderen wohl nicht lesen. So hat mir eine kleine, allerdings nicht repräsentative, „Umfrage“ gezeigt. Das führt mich dann am Ende dieser Rezension zu einem Vorschlag. Außerdem bin ich inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass Muscheler ein Lehrbuch vor allem für Rechtswissenschaftler, Rechtsanwälte, Richter und Notare vorgelegt hat.

Man kann einem solchen Werk in einer Kurzbesprechung nicht wirklich gerecht werden. Ich will dennoch versuchen, den Leser auf eine kleine Reise („Kurztrip") durch die zwei Bände mitzunehmen. Was zeigen uns die Stichproben?

  • Beim Schmökern habe ich mich immer wieder fest gelesen. Muscheler schreibt eben bekanntermaßen ebenso gekonnt wie profund. Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung der Lektüre.
  • Die am 01.01.2010 in Kraft getretene Erbrechtsreform, die am 01.09.2009 in Kraft getretene Reform des erbrechtlichen Verfahrens (FamFG) und die Reform der Erbschaftsteuer zum 01.01.2009 hat Muscheler in vollem Umfang berücksichtigt. Das haben wir nicht anders erwartet.
  • Rechtwissenschaft ist bekanntermaßen eine mehr oder weniger werthaltige Wissenschaft, wie uns Julius Hermann von Kirchmann 1847 in seinem bekannten Vortrag über „Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft“ vor Augen geführt hat. Muscheler ist mit seinem Werk dennoch nicht bei dem aktuellen materiellen Erbrecht stehen geblieben. Er ist zu den Grundlagen für die bei der Anwendung des Erbrechts erforderlichen Wertungen vor- und durchgedrungen. Er hat sie auf 666 Seiten für uns herausgearbeitet und dargestellt. Das ist eine ganz besonders wichtige Leistung.
  • Muscheler stellt in seinem Buch in dieser Form und diesem Umfang zum ersten Mal den einzelnen besonderen Materien des Erbrechts einen Allgemeinen Teil des Erbrechts voran. Er beginnt mit den „Grundlagen der Grundlagen des Erbrechts“. (Eine ebenso köstliche wie erhellende Überschrift.) Sein erster Satz in Teil 1, Kapitel 1, § 1 lautet: Warum gibt es überhaupt Erbrecht und nicht vielmehr kein Erbrecht? (Was für ein Buchanfang!) Er schreibt dann über unsere Vorstellungen vom Tod und über die Legitimität des privaten Erbrechts. Der Leser bekommt so rasch ein Vorstellung davon, wie ernst es Muscheler mit den „Grundlagen der Grundlagen“ meint. Es geht weiter mit dem „Verhaltensmodell des homo oeconomicus“ (§ 2 „Erbschaft überhaupt“).
  • Selbst die Begriffsklärungen lesen sich erfrischend und erhellend, auch wenn man sich schon weit über 20 Jahre mit dem Erbrecht beschäftigt hat. Beispiele: „Das „Dauerhafte“ des Stiftens, das „Flüssige“ des Schenkens und das „Natur- und Familienbezogene“ des Vererbens zeigt sich auch in der Etymologie. …“ (Rn. 26). Die Abgrenzung der Willensäußerung von der Vorstellensäußerung (Rn. 171 ff.) und schließlich der Gefühlsäußerung wie z. B. einer Verzeihung (Rn. 180 ff.).
  • Im Dienste der „Rechtswissenschaft“ und zugleich der Rechtspraxis verlässt Muscheler mutig immer wieder gewohnte Pfade. Das zeigen z. B. sein kleiner, aber fundierter Ausflug in die Psychologie (Rn. 32 ff.) und seine umfangreichen Statistiken (Rn. 236 ff.).
  • Besonders lesenswert finde ich etwa auch seine Ausführungen zum „Personalitätsprinzip“ (Rn. 517 ff.).
  • Mit seinem Allgemeinen Teil des Erbrechts, der nach drei Paragraphen zu den „Grundlagen der Grundlagen“ über sechs Paragraphen zu den „Grundlagen des Erbrechts“ in neun Paragraphen zu den „Grundsätzen des Erbrechts“ mündet, zeigt uns Muscheler in Fortsetzung und Fortschreibung seiner bisherigen Veröffentlichungen eine nicht nur durch Begriffe, sondern vor allem durch wertbezogene Prinzipien begründete Einheit des Erbrechtsstoffes, also letztlich dessen Systemcharakter. So zeigt der Autor uns sehr deutlich, wo (unsere) rechtswissenschaftlichen Meinungen herkommen, worauf sie beruhen.
  • In seinem Besonderen Teil des Erbrechts hat Muscheler großen Wert darauf gelegt, einzelne Fragen, die für das Gesamtsystem des Erbrechts von repräsentativer Bedeutung sind, in die Tiefe hinein und in Auseinandersetzung mit anderen Ansichten zu verfolgen. So zeigt er uns die Systemrelevanz der einzelnen Frage, d. h. ihre Verbindung mit (nur) scheinbar weit entfernt liegenden anderen Fragen. Beispiele: Testamentsvollstreckung über Einzelkaufmännische Unternehmen (Rn. 2793). Hier zeigt sich z. B. auch, dass Muscheler trotz des Umfanges seines Werkes nicht etwa langatmig, sondern kurz und prägnant schreibt.
  • Besonders gelungen finde ich beispielsweise auch die Ausführungen zum Pflichtteilsrecht.
  • Die Literaturliste umfasst 10,5 Seiten (Rn. 4075) und trotzdem oder gerade deswegen formuliert Muscheler gekonnt auf den Punkt. Eine erhellende Rechtsvergleichung (Rn. 4090 ff.) findet sich dabei ebenso wie aufbereitete Beispiele aus der Praxis und z. B. eine Darstellung zum Auskunftsanspruch (Rn. 4140 ff.).

Ich könnte noch viele Einzelheiten aus diesem Buch beschreiben. Der Platz reicht hier dafür aber nicht aus. Ich komme also zum Schluss dieser leider viel zu kurzen Buchbesprechung:

Mein Fazit:

Wissenschaftlichkeit, Praxisbezogenheit, Aktualität und Praxisrelevanz hatte ich natürlich von Muscheler erwartet. Sie liegen auf dem von dem Autor gewohnten hohen Niveau. Der Autor schreibt in einer schönen, sehr gut lesbaren Sprache und verzichtet vollständig auf jegliche Polemik und persönliche Herabsetzung fachlich Andersmeinender, wie man sie vereinzelt aber leider immer wieder auch von bekannten und geschätzten Autoren in Kommentaren und vorgeblich wissenschaftlichen Festschriftenbeiträgen findet.

Besonders gefreut hat mich Muschelers Allgemeiner Teil des Erbrechts sowie die u. a. sozialphilosophische und klar wertbezogene Fundierung seiner Ausführungen. Vielleicht ist es deshalb eine Anregung für den Autor und den Verlag, den Allgemeinen Teil des Erbrechts noch einmal durchzuschauen und in einer Taschenbuchausgabe für Studenten herauszubringen.

Es gibt viele wirklich gute Bücher zum Erbrecht. Muscheler aber ist ein ganz tolles und herausragendes Erbrechtsbuch gelungen, in dem jeder Erbrechtler immer wieder lesen und nachschlagen wird. Bei mir steht es hinter meinem Schreibtisch direkt greifbar in meiner persönlichen Präsenzbibliothek.