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15.01.2019Ein "Schluck aus der Pulle"? - Weitere Überlegungen zum Länderindex Familienunternehmen

Von: M. Pruns

 

Der im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung erstellte Länderindex Familienunternehmen, über den ich mich bereits hier kritisch geäußert habe, hat für Aufregung gesorgt. Das war von den Initiatoren sicher beabsichtigt. Damit ist die Studie zumindest schon mal ein PR-Erfolg, was allerdings über die inhaltlichen Schwächen nicht hinwegtäuscht.

 

1.

Zunächst hat der Journalist Gabor Steingart die Studie zum Anlass genommen, in seinem Podcast vom 09.01.2019 den Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, Herrn Stefan Heidbreder, zu interviewen. Dieser klagt über die aktuelle deutsche Politik und lässt sich wie folgt zitieren: „Die Ambitionslosigkeit und Ziellosigkeit der Politik treibt den Familienunternehmern die Zornesröte ins Gesicht.“ 

In der Steuerpolitik trage Deutschland die rote Laterne. Der Unternehmenssteuersatz sei im Vergleich zu den anderen in der Studie betrachteten Ländern viel zu hoch. Viele Länder hätten, im Gegensatz zu Deutschland, ihre Hausaufgaben gemacht. So hätten bspw. Frankreich und Großbritannien Entlastungen für Unternehmen bereits umgesetzt oder auf den Weg gebracht und auch und gerade die USA hätten hier jüngst deutlich „verbessert“.

In Deutschland seien dagegen die Früchte der Agenda 2010 aufgebraucht. Man müsse die Frage stellen, ob Deutschland für die Abschwächung der Konjunktur gerüstet sei. Ein durchschnittlicher Unternehmer, so Heidbreder, frage sich, wenn er die deutsche Wirtschaftspolitik der letzten Jahre betrachte, „Wann kriegen wir denn endlich einmal einen Schluck aus der Pulle?“. Die Themen, so Heidbreder weiter, lägen auf dem Tisch. So wäre es etwa angebracht, dass die Politik den Soli „unverzüglich in Gänze“ abschaffe. Stattdessen werde ein „unwürdiger Eiertanz“ aufgeführt.

Das ist das altbekannte Lied von der Steuersenkung, das, obwohl die Studie durchaus auch viele andere Gesichtspunkte in den Blick nimmt, bereits den Schwerpunkt der Verlautbarungen der Stiftung Familienunternehmen bildete.

 

2.

Man musste nicht lange auf eine Reaktion der Politik warten. Zwei Tage später, am 11.01.2019, vermeldete SpiegelOnline, Wirtschaftsminister Altmaier fordere, die Unternehmen zu entlasten, insbesondere der Soli ganz abzuschaffen. Entsprechende Pläne, die eine Entlastung um 20 Mrd. Euro vorsehen, sollen im Wirtschaftsministerium bereits vorliegen.

 

3.

Die Gegenreaktion folgte auf dem Fuße. Unter der Überschrift Wohlfühlpaket für die Privatjet-Fraktionwurde von dem Kolumnisten Thomas Fricke davor gewarnt, sich von Steuersenkungen von Unternehmen die Abwendung einer Rezession zu erhoffen. Und Finanzminister Olaf Scholz sprach sich deutlich gegen eine Abschaffung des Solis und die weiteren Pläne Altmaiers aus.

 

Mein Fazit:

Wie ist dieses Hin und Her zu bewerten?

Der „durchschnittliche“ Unternehmer, so sagt es zumindest  Heidbreder, denkt: „Wann kriegen wir denn endlich einmal einen Schluck aus der Pulle?“. Als Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen muss Heidbreder es eigentlich wissen. Weiß er es wirklich?

Um in seinem Bild zu bleiben: Was genau ist in der angesprochenen Pulle? Mineralwasser? Wenn ja: Mit oder ohne Kohlensäure? Oder sind doch eher alkoholische Getränke gemeint? Also ein Schluck Bier oder Wein? Besonders naheliegend ist Champagner und dann ist es wirklich nicht mehr weit bis zum Privatjet. Die Klischees der Kritiker sind damit ganz schnell bedient. Man sollte vorsichtiger sein, welche Assoziationen man weckt, wenn man nicht seinen eigenen Gedanken einen Bärendienst erweisen will!

Oder entspricht der Schluck aus der Champagnerpulle tatsächlich der Gedankenwelt von Familienunternehmerinnen und -unternehmern? Das möchte und kann ich nicht glauben. Es entspricht nicht meiner Erfahrung.

Familienunternehmen sind der dauernden und nachhaltigen Zweckerfüllung und nicht dem schnellen „Schluck aus der Pulle“ verpflichtet. Sie schätzen Stabilität und Planbarkeit. Das sind wesentliche Punkte für die Attraktivität eines Unternehmensstandorts.

Dazu gehört sicherlich auch ein modernes und attraktives Steuerrecht. Aber das allein kann den Ausschlag nicht geben. Wir sind schließlich nicht mehr in Zeiten, in denen man der Theorie der „Trickle down economics“ vertraut, oder?

Vorsichtig sein sollte man deshalb vielleicht auch mit einem pauschalen Lob der Steuerpolitik der US-Regierung. Und Frankreich erlebt auch nicht besonders friedliche Zeiten, von Großbritannien ganz zu schweigen. In allen drei Ländern ist die unternehmerische Planbarkeit gesunken.

Wir müssen uns alle noch mehr Gedanken darüber machen, wie es gelingt, dass wir alle unseren Durst stillen können. Lobbyarbeit, die einseitig auf vermeintliche Steuerinteressen einer bestimmten Zielgruppe blickt, hilft da nicht weiter

Sehr viel zielführender und moderner sind etwa die Aussagen von Fabian Kienbaum am 11.01.2019, ebenfalls in einem Interview mit Steingart. Die Vergütung von Führunspersonen in Unternehmen berge Sprengstoff. Es sei an der Zeit, "wieder ethisch-moralische Ansprüche an die Unternehmenslenker [zu] stellen". "Das Thema Corporate Social Responsibility war bisher ein Nice-to-have-Thema. Ich würde sagen: Heute ist es ein Must-Have."

Nicht erst heute, möchte ich hinzufügen. Anstand war schon immer in Mode, auch in Steuerfragen.