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Dr. K. Jan Schiffer

Dr. K. Jan Schiffer ist Wirtschaftsanwalt und berät seit 1987 vor allem Familienunternehmen, Stiftungen, Verbände, staatliche Stellen, …mehr

18.07.2010Wörtliche Übernahme der neuen Mustersatzung? (akualisiert)

Von: K. Jan Schiffer

(Die Fassung vom 23.09.2009 habe ich am 30.10.2009, am 25.02.2010 und am 18.07.2010 ergänzt.)

Der Gesetzgeber verkündet vielfach, dass er uns Bürgern (und uns Beratern) das Stiften erleichtern will. Mit dem Jahressteuergesetz 2009 hat er auch die Abgabenordnung in einigen Punkten geändert und das führte in der Anwendung zu Überraschungen in der Praxis.

Um was geht es?

Dem § 60 Abs. 1 AO ist folgender Satz angefügt worden:
„Die Satzung muss die in der Anlage 1 bezeichneten Festlegungen enthalten.“

Der AO ist sodann folgende Anlage 1 angefügt:
„Anlage 1 zu § 60
Mustersatzung
für Vereine, Stiftungen, Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichenRechts, geistliche Genossenschaften und Kapitalgesellschaften
(nur aus steuerlichen Gründen notwendige Bestimmungen)

§ 1
Der - Die -… (Körperschaft) mit Sitz in … verfolgt ausschließlich und unmittelbar - gemeinnützige - mildtätige - kirchliche - Zwecke (nicht verfolgte Zwecke streichen) im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung.
Zweck der Körperschaft ist … (z. B. die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Jugend- und Altenhilfe, Erziehung, Volks- und Berufsbildung, Kunst und Kultur, Landschaftspflege, Umweltschutz, des öffentlichen Gesundheitswesens, des Sports, Unterstützung hilfsbedürftiger Personen).
Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch … (z. B. Durchführung wissenschaftlicher Veranstaltungen und Forschungsvorhaben, Vergabe von Forschungsaufträgen, Unterhaltung einer Schule, einer Erziehungsberatungsstelle, Pflege von Kunstsammlungen, Pflege des Liedgutes und des Chorgesanges, Errichtung von Naturschutzgebieten, Unterhaltung eines Kindergartens, Kinder-, Jugendheimes, Unterhaltung eines Altenheimes, eines Erholungsheimes, Bekämpfung des Drogenmissbrauchs, des Lärms, Förderung sportlicher Übungen und Leistungen).

§ 2
Die Körperschaft ist selbstlos tätig; sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.

§ 3
Mittel der Körperschaft dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendetwerden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft.

§ 4
Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Körperschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.

§ 5
Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft

1. an - den - die - das - … (Bezeichnung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft) - der - die - das - es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke zu verwenden hat.
oder
2. an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine andere steuerbegünstigte Körperschaft zwecks Verwendung für … (Angabe eines bestimmten gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecks, z. B. Förderung von Wissenschaft und Forschung, Erziehung, Volks- und Berufsbildung, der Unterstützung von Personen, die im Sinne von § 53 AO wegen … bedürftig sind, Unterhaltung des Gotteshauses in …).“

 

Die Anlage enthält zudem noch einige Hinweise, die hier nicht interessieren.
Wo ist das Problem mag man sich fragen? Eine entsprechende „Mustersatzung“ gab es bisher schon zum Anwendungserlaß zur Abgabenordnung (AEAO). Die neue „Mustersatzung“ enthält doch nichts wesentlich Neues.
Nun, leider nicht ganz richtig!
Sie haben, was den Inhalt angeht, Recht. Aber jetzt kommt es:

Vor allem in der Finanzverwaltung hat sich die Meinung herausgebildet, dass die Formulierungen  in der Mustersatzung verbindlich seien und deshalb auch in neuen Stiftungssatzungen wörtlich (!) enthalten sein müssen. Altsatzungen sollen bei der nächsten Änderung anzupassen sein.

Begründet wird das mit Arbeitserleichterungen in der Finanzverwaltung. Motto: Eine Textübereinstimmung abzuhaken ist leichter, als eine inhaltliche Übereinstimmung zu kontrollieren. Allerdings nimmt das die Möglichkeit, auf andere auch bewährte Formulierungen zurückzugreifen. 

Ich verstehe das nicht! Im Gesetz heißt es doch: „Die Satzung muss die in der Anlage 1 bezeichneten Festlegungen enthalten.“

Da steht nichts von der „wörtlichen“ Übernahme von Formulierungen. Die Rede ist von „Festlegungen“, was ja wohl nur Inhalte meinen kann. Meiner Ansicht nach überinterpretiert die Finanzverwaltung das Gesetz hier aus bürokratischen Erwägungen in unzulässiger Weise. Sie verlässt den Rahmen der zulässigen Gesetzesauslegung. Der Gesetzgeber wollte uns (siehe Überschrift der Anlage: "Mustersatzung") nur ein „Muster“ geben.

Literaturhinweise:

  • Koenig scheint (!) sich in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl. 2009, § 60 AO Rdnr. 7 mit einer zumindest aus meiner Sicht etwas ungenauen Formulierung für eine wörtliche Übernahme der Satzungsformulierungen auszusprechen.
  • Gersch hingegen spricht sich in seiner gerade erschienenen Kommentierung in Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl. 2009, § 60 AO Rdnr. 2 deutlich gegen eine wörtliche Übernahme aus. ("Eine wörtliche Übernahme ist nicht notwendig, inhaltlich muss die Mustersatzung aber übernommen werden.")
  • Gegen die wörtliche Übernahme spricht sich auch Ullrich mit zahlreichen Nachweisen aus (DStR 2009, 2471 ff.).
  • ... und auch Pauls/Eismann (ZStV 3/2010, 120 ff.) wenden sich gegen die wörtliche Übernahme der Mustersatzung

Unabhängig von der grundlegenden Kritik an dem angeblichen Erfordernis der wörtlichen Übernahme fällt auf, dass die Formulierungen gar nicht alle wörtlich auf die Stiftung passen und damit tatsächlich auch gar nicht wörtlich übernommen werden können. So spricht § 3 der Mustersatzung von „Mitgliedern“. Eine Stiftung hat aber gar keine Mitglieder.

Die Auffassung der Finanzverwaltung führt nicht zu Erleichterungen, sondern zu zusätzlichen Fragen und Diskussionen in der Praxis und damit zu Erschwerungen bei der Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung. Die Finanzverwaltung sollte ihre Forderung nach einer wörtlichen Übernahme der "Mustersatzungsformulierungen" unverzüglich aufgeben.

Die herrschende Auffassung in der Fachwelt folgt der Finanzverwaltung ausdrücklich nicht, wie oben belegt.