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12.01.2016Steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge (III)

Von: StiftungsrechtPlus-Team

Das BMF-Schreiben vom 22.09.2015 zu steuerlichen Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge und die besonderen Auswirkungen auf (Stiftungs-)zivilrechtliche Fragen beschäftigt die Fachwelt schon seit einiger Zeit (siehe bereits hier und hier).

Auch in der Praxis wird dazu nach Lösungsmöglichkeiten gesucht, etwaige Spannungen und Inkongruenzen zwischen Steuer- und Stiftungsrecht aufzulösen. Bekanntlich ergibt sich aus der steuerrechtlichen Erlaubnis satzungsfremder Zweckverwirklichung nicht zwanglos auch deren zivilrechtliche Zulässigkeit (siehe ausführlich schon hier).

Im Dezember des vergangenen Jahres befasste sich etwa auch der Blocklehrgang Herbstakademie Stiftungsberater 2015 der Deutschen Stiftungsakademie unter Leitung von RA Dr. K. Jan Schiffer mit dieser Thematik. Teilnehmer des Lehrganges, denen an dieser Stelle herzlich zu danken ist, waren:

Thomas Abel (HONORIS Treuhand GmbH), Maren Helm (KSB Intax Treuhand GmbH), Christine Biedermann (Stiftung Aktive Bürgerschaft Berlin), Dr. Anna Kraftsoff (Deutsches Stiftungszentrum GmbH), Stefanie Brielmaier (Kanzlei Tiegs & Brielmaier), Renate Kricke (GKK Treuhand und StB GmbH), Joachim Rieger (WP + StB, Heilbronn), Raphaela Hallermeier (Steuerkanzlei Hallermeier, Altdorf), Ulrike Häuserer (MPF AG), Carla Rose (Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH), Jens Heit (Brost Stiftung), Sebastian Sattler (Allianz Pension Consult GmbH), Andrea Spennes-Kleutges (Evangelisches Johannesstift Stiftung Berlin), Hartwig Strayle (Bethmann Bank AG) und Ina Storch (Moshack-Bach-Stiftung ACCA).

Als Anregung für die interessierten Leser dieser Website fassen wir im Folgenden einige der dort entwickelten Gedanken und Lösungsansätze zusammen.

1. Mittelweitergabe nach § 58 Nr. 1 und Nr. 2 AO

Bevor man auf die Sonderregelungen des BMF zurückgreift kann stets geprüft werden, ob die betreffende Stiftung aufgrund ihrer Satzung nach den allgemeinen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften der §§ 58 Nr. 1 und/oder Nr. 2 AO zur Mittelweitergabe an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts zur Förderung der Flüchtlingshilfe berechtigt ist.

Die Vorschriften lauten:

§ 58 AO

Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass

1. eine Körperschaft Mittel für die Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke einer anderen Körperschaft oder für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts beschafft; die Beschaffung von Mitteln für eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft des privaten Rechts setzt voraus, dass diese selbst steuerbegünstigt ist,

2. eine Körperschaft ihre Mittel teilweise einer anderen, ebenfalls steuerbegünstigten Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Verwendung zu steuerbegünstigten Zwecken zuwendet,

[…]

Greifen diese Regelungen im konkreten Fall ein, kommt es ggf. zur gemeinnützigkeitsrechtlichen Zulässigkeit der Fördermaßnahme auf die Sonderregelungen aus dem BMF-Schreiben vom 22.09.2015 gar nicht mehr an. Gleichwohl stellt sich aber auch dann die Frage, ob die Maßnahmen auch stiftungszivilrechtlich zulässig sind.

2. Der hypothetische Stifterwille

Häufig wird die Satzung einer Stiftung, die nicht speziell mit dem Zweck der Flüchtlingshilfe errichtet wurde,  weder die Zulässigkeit von besonderen Maßnahmen auf diesem Gebiet im Sinne des BMF-Schreibens vom 22.09.2015 noch deren Unzulässigkeit ausdrücklich regeln.

Ist in einem solchen Fall der ausdrückliche Stifterwille zu einem Punkt nicht feststellbar, so muss ggf. der mutmaßliche (hypothetische) Stifterwille aus den Umständen in Zusammenhang mit dem formbedürftigen Stiftungsgeschäft einschließlich Stiftungssatzung ermittelt und ausgelegt werden. In einem ersten Schritt ist bei der Ermittlung des mutmaßlichen Stifterwillens festzustellen, wie die Erklärung des Stifters unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände auszulegen ist. Dabei dürfen Umstände außerhalb der Urkunde (Stiftungsgeschäft und Stiftungsverfassung) nur berücksichtigt werden, soweit sie bewiesen sind. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die ausgelegte Erklärung der Form genügt. Dabei folgt die Rechtsprechung der sog. Andeutungstheorie, d.h. der aus Umständen außerhalb der Urkunde ermittelte (Stifter-)Wille muss in der Urkunde einen – wenn auch (nur) unvollkommenen – Ausdruck, eine Andeutung gefunden haben.

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es möglich, dass sich nach dem hypothetischen Stifterwillen die (zivilrechtliche) Zulässigkeit von besonderen Maßnahmen der Flüchtlingshilfe ergibt, auch wenn die Stiftungssatzung dazu keine ausdrücklichen Aussagen trifft.

3. Weite Auslegung bestehender Satzungsregelungen

Eine weite Auslegung des mutmaßlichen Stifterwillens wird insbesondere dann zur zivilrechtlichen Zulässigkeit von einzelnen Maßnahmen der Flüchtlingshilfe führen, wenn solche bereits immanent in Teilbereichen der satzungsmäßigen Zwecke enthalten sind. Das wird nicht selten der Fall sein.

So beinhaltet beispielsweise der Satzungszweck der Jugendhilfe regelmäßig auch besondere Maßnahmen zur Förderung minderjähriger Flüchtlinge. Entsprechendes gilt, wie es auch der Bundesverband deutscher Stiftungen in seinem Faktenblatt zutreffend zusammengestellt hat, z.B. für die Förderung religiöser Zwecke, der Altenhilfe, der Bildung, der Völkerverständigung und für etliche weitere Zwecke nach §§ 52, 53 AO.

Damit wird in vielen Fällen, zumindest in Teilbereichen, die Unterstützung von Flüchtlingen auch ohne den ausdrücklichen Zweck der „Flüchtlingshilfe“ in der Satzung stiftungszivilrechtlich zulässig sein. Vorsorglich sollte dazu aber stets eine enge Abstimmung mit der zuständigen Stiftungsaufsichtsbehörde erfolgen.

4. Satzungsänderung / „Generalklausel“

Eröffnet auch eine weite Auslegung der Stiftungssatzung und damit einhergehend die Ermittlung des mutmaßlichen Stifterwillens nicht die Möglichkeit zur Durchführung der gewollten Maßnahmen für Flüchtlinge, bleibt letztlich nur die Option einer entsprechenden Satzungsänderung.

Die Änderung des Stiftungszwecks ist grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen möglich und bedarf regelmäßig der Zustimmung der Aufsichtsbehörde (siehe etwa § 5 Abs. 2 StiftG NRW). Gleichwohl ist sie als Möglichkeit in Betracht zu ziehen, insbesondere wenn die Stiftungssatzung bereits eine hinreichend offene Änderungsbefugnis der Organe regelt.

Möchten Stifter schon bei der Errichtung der Stiftung den Organen in besonderen unvorhergesehenen Situationen (wie etwa der aktuellen Flüchtlingskrise) erweiterte Handlungsbefugnisse eröffnen, bietet es sich jedenfalls auch an, über die Aufnahme einer "Generalklausel" in die Satzung nachzudenken. Eine solche kann etwa regeln, dass die Stiftung in besonderen allgemeinen Notlagen auch satzungsfremde Zwecke verwirklichen darf, wenn deren gemeinnützigkeitsrechtliche Zulässigkeit ausdrücklich durch besondere Verfügung des BMF erklärt worden ist.

Belastbare Erfahrungswerte zu solchen Klauseln gibt es bisher allerdings nach unserer Erfahrung nicht, auch nicht dazu, ob die Behörden solche Satzungsbestimmungen zwanglos akzeptieren. Mit Blick auf die gegebenen Herausforderungen in besonderen Situationen und das staatliche Interesse an dem zusätzlichen Engagement der NPOs sollte man solche Optionen aber nicht von vornherein ausschließen.